Tiervergleiche haben in der Management-Literatur eine lange, erfolgreiche Geschichte. So gibt es „Die Mäusestrategie“, in „Gung-Ho“ lesen wir von dem Geschenk der Gans oder dem Geist des Eichhörnchens. Beides sind Bücher aus unseren Top 10. In diese Reihe der Tier-Analogien gesellt sich auch „Das Erdmännchen-Prinzip – Aus Krisen als Gewinner hervorgehen“ (orig. „That’s Not How We Do It Here“) von John Kotter. Ist das nur noch eine weitere Variation auf ein Thema oder ein wirklich nützliches Buch?
Zusammenfassung: Um was geht es im Erdmännchen-Prinzip?
John Kotter erzählt die Geschichte verschiedener Erdmännchen. Diese erleben im Verlauf der Geschichte in ihrem Stamm unterschiedliche Krisen. Denn Dürre, Hungersnot und zunehmende Attacken von Raubtieren machen den putzigen Gesellen das Leben schwer.
Klar, für uns Menschen ist ein Erdmännchen optisch kaum von einem andern zu unterscheiden. Trotzdem ist kein Erdmännchen wie das andere. Beispielsweise gibt sehr gut organisierte, strukturierte Exemplare. Diese werden auf der anderen Seite ergänzt durch kreative Freigeister. Feste, starre Strukturen sind den Kreativen im Stamm natürlich ein Gräuel. Sie zweifeln die Effektivität der Organisation an. Denn der Heimatstamm unserer Protagonisten wird sehr strukturiert und hierarchisch geführt. Zunächst scheint alles gut zu laufen.
„So machen wir das hier nicht!“
Doch eines Tages lehnt ein Beta aus dem mittleren Management einen durchaus plausiblen Verbesserungsvorschlag ab. Und das, obwohl die Initiative für mehr Schutz vor Raubtier-Attacken gesorgt hätte. Nichtsdestotrotz bügelt die verantwortliche Führungskraft die vielversprechende Innovation mit den Worten „Das haben wir noch nie so gemacht“ ab. Weil sie von ihren Managern enttäuscht sind, ziehen die Erdmännchen Nadia und Ayo los ins Ungewisse der Savanne. Sie wollen auf ihrer Reise herausfinden, ob man einen solche Gruppe vielleicht auch auf andere Weise lenken kann.
Und in der Tat finden das ungleiche Pärchen einen Stamm, dessen Management gänzlich anders agiert als ihr eigenes. Denn hier lebt eine offene Demokratie. Im Gegensatz zu ihrem Heimatstamm bestimmen Eigeninitiative und freiwilliger Einsatz die Abläufe. Unabhängige Arbeitsgruppen treiben Innovationen aktiv voran. Als es jedoch auch hier zur Katastrophe kommt, treten die Schwächen eines solcherart geführten Stammes offen zutage.
Das wirft die Frage auf, welche Organisationsform die beste für einen Erdmännchen-Stamm ist.
Führung vs. Management
Die Geschichte bewegt sich also im Spannungsbereich zwischen Leadership und operativem Management, das wird schnell klar. Denn der eine Stamm ist extrem gut organisiert, er verfügt über ein ausgefeiltes Management. Der andere wird ausschließlich durch Führung gelenkt und setzt voll auf Selbstmotivation.
Beides scheitert.
Aber warum?
Ein Patentrezept gibt John Kotter dem/der Leser/in nicht mit auf den Weg. Aber klar ist: Die Mischung macht’s. Weder reines Management noch pure Führung haben dauerhafte Aussicht auf Erfolg. Mischt man die beiden Ansätze jedoch und bringt sie kongruent übereinander, dann sind die Erfolgsaussichten immens.
Die Kunst einer erfolgreichen Organisation ist es, die optimale Balance zwischen Leadership (was tun?) und Management (wie tun wir es?) zu finden.
Fazit: Routineaufgaben müssen von Managern koordiniert werden. So werden diese gewissenhaft und nach sauber definierten Prozessen erledigt. Innovation und die Anpassung an neue Gegebenheiten lassen sich demgegenüber am besten von interdisziplinären Teams erarbeiten. Diese sollten aus den unterschiedlichsten Charakteren bestehen. So erzielt man langfristig das beste Ergebnis – das ist die Erkenntnis.
Der Autor von „Das Erdmännchen-Prinzip“
John P. Kotter ist ein erfahrener Professor. Er lehrte über 30 Jahre lang Führungsmanagement an der Harvard Business School. John Kotter ist Mitbegründer und Leiter der Kotter International (Firmenwebsite), einer Unternehmensberatung, die weltweit agiert. In der Deutschland-Vertretung von Kotter International arbeitet sein Co-Autor Holger Rathgeber. Kotter ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Er wohnt mit seiner Familie in Cambridge, Massachusetts, USA.
Studium und Ausbildung
Studiert hat Kotter am berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Abgeschlossen hat er sein Studium 1968 mit einem Bachelor of Science in Elektrotechnik und Informatik. Keine typische Fächerkombination für einen Firmenlenker. Seinen Master machte er 1970, zwei Jahre später promovierte Kotter.
Neben dem Erdmännchen-Prinzip, das sich mit Philosophie der Unternehmensorganisation und dem Umgang mit veränderten Rahmenbedingungen beschäftigt, schrieb Kotter zusammen mit seinem Co-Autor Holger Rathgeber auch „Das Pinguin-Prinzip“.
Ein eigener YouTube-Kanal
In einem eigenen YouTube-Kanal beschäftigt sich John P. Kotter mit den Themen Leadership, Führung und Management in Zeiten beständigen Wandels.
Wozu noch das „Erdmännchen-Prinzip“?
Aber zurück zum Buch. Braucht es noch eine Tiergeschichte, um Führungsprinzipien zu erläutern? Diese Frage ist berechtigt. Und ich habe sie mir insgeheim auch gestellt.
Als Leser/in fragt man sich anfangs, wo die Geschichte wohl hinführen mag. Im weiteren Verlauf aber ahnt man, auf was das Ganze hinausläuft. Deswegen macht die Lektüre Spaß.
Spaß? Echt?
Absolut, denn die Fabel ist schön geschrieben. Die Autoren haben die Charaktere wundervoll und detailliert gezeichnet. Und die Geschichte berührt uns als Leser/in.
Ich persönlich finde die Geschichte unterhaltsam und inspirierend zu lesen. Wegen ihrer Kürze passt sie in zwei Stunden Lesezeit. Das ist Absicht, wie Kotter im Vorwort klarstellt. Fachlich und inhaltlich sind die Autoren Kotter und Rathgeber über jeden Zweifel erhaben. Die Erkenntnisse über Aufbauorganisation, Management und Führungs-Philosophien könnte man klarer nicht aufzeigen. Hier zeigt sich die enorme Kompetenz und langjährige Erfahrung der beiden Autoren.
Wer sich jedoch seine eigenen Gedanken machen will, der kann den letzten Teil des Buches überspringen. Dort wird nämlich im klassischen Management-Buch-Stil erläutert, welchen Annahmen die Geschichte zugrunde liegt. Das kanalisiert natürlich die Erkenntnisse nochmals weiter. Aber man muss das nicht tun. Kotter warnt direkt vor dem Kapitel, dass es jetzt theoretisch wird.
„Diese einzigartige Geschichte zeigt, wie wir in schwierigen Zeiten bestehen, wenn wir uns neu aufstellen.“
Spencer Johnson, Autor von „Die Mäuse-Strategie“
Fazit: Das erwartet dich in „Das Erdmännchen-Prinzip“
Abschließend bleibt zu sagen, dass das Erdmännchen-Prinzip vor allem zum Nachdenken anregen will. Letztlich wird kein Patentrezept empfohlen oder gar eine „Best Practice“ eingeführt. Daher werden Leser/innen enttäuscht sein, die praktisches, bereits ausgearbeitetes Handwerkszeug erwarten. Auch ein Toolkit, das man in anderen Büchern zum Thema finden kann, sucht man hier vergeblich.
Führungskräfte jedoch, die ihren eigenen Weg in Sachen Aufbau-Organisation und Change Management gehen wollen, finden in dem Buch eine herausragende Anregung. Daher ist das Buch für diese Zielgruppe eine klare Empfehlung.
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