Digitaler Minimalismus von Cal Newport

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Warum habe ich ständig zu wenig Zeit? Wo geht meine Aufmerksamkeit hin? Wieso kann ich kein Gespräch mehr führen, ohne ständig auf mein iPhone zu schielen? Macht mich die Nutzung von Social Media traurig? Und wenn das so ist, wie kann ich mein Verhalten ändern? Ist Digitaler Minimalismus die Lösung?

Cal Newport hat sich in seinem modernen Klassiker „Digitaler Minimalismus – Besser leben mit weniger Technologie“ mit genau diesen Fragen beschäftigt. Akribisch analysiert und zergliedert er die moderne Smartphone-Nutzung und beschreibt, warum ein Verzicht auf die allgegenwärtigen Geräte eine gute Sache wäre. Allerdings ist Newport kein Dogmatiker. Die Menschen wären Narren, auf die Bequemlichkeit der Taschencomputer zu verzichten. Doch in dem Maße, wie sie uns nützen könnten, schaden die Smartphones uns eben auch. Vielleicht schaden sie uns sogar mehr, als sie uns dienen.

Den Zeitdieben auf der Spur!

Haben Sie das Buch „Momo“ von Michael Ende gelesen? Dort gibt es die bedrohlichen grauen Herren, die den Menschen die Zeit stehlen. Cal Newport färbt diese grauen Herren blau ein. Denn für den Universitätsprofessor sind Facebook, Twitter und Co. die neuen Zeitdiebe. Was könnte man nicht alles mit der Zeit anfangen, die nicht von sozialen Netzwerken gestohlen würde?

Fakt ist: Finden wir keine Ruhe, keine Einkehr, nabeln wir uns nicht regelmäßig von der Online-Welt ab, kann uns das digitale Dauerfeuer krank machen. Wie Newport beschreibt, haben Studien deutlich dies deutlich sichtbar gemacht. Depression, Traurigkeit oder gar Suizidgedanken können durch das unablässige „Vernetztsein“ und „In-Verbindung-bleiben“ verursacht werden.

Verbindung oder Beziehung?

In Cal Newports Buch wird eine scharfe Linie gezogen zwischen Beziehungen und Verbindungen. Eine Beziehung geht man offline ein, man pflegt sie, man redet miteinander und teilt gemeinsame Zeit. Beziehungen sind die Grundlage menschlichen Zusammenlebens, wir pflegen sie schon seit Menschengedenken.

Eine Verbindung hingegen kann durchaus rein digitaler Natur sein. Das Problem bei Verbindungen ist, dass wir sie aufrecht erhalten obwohl sie eigentlich keinen echten Mehrwert bieten. Denn wozu sollte ich das Profil eines Mitschülers meiner Parallelklasse von 1988 liken? Das ergibt – genau betrachtet – keinen Sinn. Was hat es für einen Effekt auf mein Leben, wenn ich nicht mitbekomme, was eben dieser Schüler heute macht?

Schlimmer noch.

Stell dir vor, dieser ehemalige Mitschüler erfolgreicher ist als du. Er fährt ein dickes Auto, hat einen geilen Job, massig Kohle. Du hast das alles aber nicht, würdest aber gerne ein solches Leben führen.

Was macht dieser digitale Vergleich mit dir? Die Frage kann sich jeder selber beantworten.

Was also ist Digitaler Minimalismus?

Ausgangspunkt des Buches von Cal Newport ist ein Essay von Andrew Sullivan mit dem Titel „Ich war mal ein Mensch„. Digitaler Minimalismus soll einen Gegenpol zur gegenwärtigen Praxis des Technikkonsums darstellen. Jedoch ist das Konzept keineswegs technikfeindlich. Es geht vielmehr darum, sich digitale Werkzeuge zunutze zu machen und nicht ihr Diener zu werden.

Professioneller Zeitdieb – das iPhone

Denn genau das haben die großen Internetkonzerne erreicht: Sie nehmen unsere Aufmerksamkeit in Beschlag, halten uns mit einer nicht endenden Flut an Nachrichten, Interaktionen, Likes, Re-Tweets und dergleichen ständig auf Trab. Unser Gehirn wird überschwemmt mit Informationen, so nutzlos sie auch sein mögen. Wir werden in einen Zustand permanenter Verfügbarkeit und Aufmerksamkeit gepresst, der schädlich ist. Und krank machen kann.

Vielleicht macht er uns auch „nur“ süchtig.

Digitaler Minimalismus ist eine Variation auf das Thema „Weniger ist mehr“. Er soll keine Abkehr von modernen Kommunikationsmöglichkeiten sein. Im Gegenteil.

Die sinnvolle, bewusste und zweckgebundene Nutzung digitaler Tools ist das Ziel, das mithilfe des Buches erreicht werden kann.

Praktische Übungen zum Thema Digitaler Minimalismus

Ich will der Lektüre des Buches nicht vorgreifen. Wie man zum digitalen Minimalisten wird, verrät das Buch natürlich auch in einem eigenen Kapitel. Ich will hier nicht spoilern. Nur so viel: Ein einfacher Weg wird es nicht sein. Denn der „Gegner“ ist ein Profi. Mit einer Heerschar an Experten, Verhaltensforschern und Programmierern wird unablässig daran gearbeitet, Aufmerksamkeit auf die kleinen Bildschirme zu ziehen. Unsere derzeitige Digitalwirtschaft hat es sich zum Ziel gemacht, Aufmerksamkeit in klingende Münze zu verwandeln.

Sind digitale Minimalisten erfolgreicher?

Kann ich meinen Job besser machen, wenn ich einen Lebensstil des Digitalen Minimalismus pflege?

Ja und nein.

Die Antwort auf diese Frage liegt wie so oft bei dir selber. Denn schließlich ist es deine Sache, die gewonnene Zeit mit Leben zu füllen. Verschiedene Aktivitäten könnten für dich weit wertvoller sein als das schiere Starren auf den kleinen Smartphone-Bildschirm. Beispiele?

  • Ein Buch lesen. Das schafft neue Einblicke und Perspektiven
  • Einen Finanzplan aufstellen, um dein Geld zu managen
  • Zeit mit deiner Familie verbringen, um diese wichtigste Beziehung zu festigen
  • Sport treiben, um leistungsfähig und fit zu bleiben

Im Übrigen schließt sich hier auch wieder der Kreis zum Grundlagen-Buch von Stephen R. Covey. Denn um die „Säge zu schärfen“ braucht man vor allem eines: Zeit. Sich auch mal zu langweilen und seinen eigenen Gedanken nachzuhängen, ist für uns Menschen – ob Führungskraft oder nicht – essentiell.

Meine Bewertung:

Bewertung: 4 von 5.

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