Daniel Kahnemans „Schnelles Denken, langsames Denken“ (engl. Thinking, fast and slow) ist ein Meilenstein in der modernen Wirtschaftspsychologie. Doch was macht den Titel so besonders? Was also sind die Lehren, die man daraus im täglichen Leben ziehen kann? Und wie liest sich der 600 Seiten starke Wälzer? Diese und weitere Fragen beantwortet unser Artikel.
Geschichte von „Schnelles Denken, langsames Denken“
Jedes Buch hat seine eigene Geschichte. Die von „Schnelles Denken, langsames Denken“ ist besonders spannend. Daher gebe ich einen kurzen Einblick in die Entstehung des Buches.
Die Autoren
Geschrieben wurde das Buch zwar von Daniel Kahneman, er ist auch derjenige, der den Wirtschafts-Nobelpreis für seine Arbeit bekommen hat. Allerdings sind viele Erkenntnisse aus dem Titel in jahrelangen Diskussionen mit seinem Forschungspartner entstanden. Amos Tversky war für Daniel Kahneman nicht nur ein fachlicher Partner, sondern vor allem auch ein Freund.
Kahneman berichtet in „Schnelles Denken, langsames Denken“ von einer Freundschaft, die ihn immer wieder auf neue Ideen gebracht hat. Von schlaflosen Nächsten und mehrtägigen Diskussionen mit seinem Freund Amos berichtet der Autor des Bestsellers.
Der Entstehungsprozess des Buches
Aus den Diskussionen, die die Freunde führten, extrahierte Daniel Kahneman die grundlegenden Theorien für sein Buch. Er widmet seinem mittlerweile verstorbenen Freund eine Menge Raum in seinem Werk. Kahneman erwähnt immer wieder, wie groß der Einfluss von Amos Tversky auf seine eigenen Forschungsarbeiten war. Die Widmung des Buches spricht Bände:
Zum Andenken an Amos Tversky.
Widmung im Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“
Inhalt von „Schnelles Denken, langsames Denken“
Gegliedert ist „Schnelles Denken, langsames Denken“ in fünf Teile. Teilweise bauen diese aufeinander auf.
- Zwei Systeme
- Heuristiken und kognitive Verzerrungen
- Selbstüberschätzung
- Entscheidungen
- Zwei Selbste
In den folgenden Abschnitten gehe ich näher auf die Inhalte der einzelnen Teile ein.
Zwei Systeme
Um zu veranschaulichen, wie wir Menschen Informationen aufnehmen und Entscheidungen treffen, führt Daniel Kahneman eine Abstraktion ein. Er nennt die zwei Funktionen, die unser Denken zentral bestimmen, die Systeme 1 und 2. System 1 ist das schnellere von beiden. Es trifft Entscheidungen auf Basis von Erfahrungen und Intuitionen. System 1 wird automatisch aktiviert. Unser System 2 hingegen wird erst aktiv, wenn wir Menschen bewusst einen Denkprozess starten. Es ist träge, faul und greift nur ein, wenn Inkonsistenzen erkannt werden.
Heuristiken und kognitive Verzerrungen
Eine sperrige Überschrift. Aber in diesem Teil geht es unter anderem darum, dass wir Menschen einer Fragestellung gezielt ausweichen. Das bedeutet, dass wir statt der Ursprungsfrage eine ganz andere Frage beantworten. Ein Beispiel ist die Frage, nachdem man ein Portrait eines unbekannten Mannes präsentiert hat:
„Trauen Sie diesem Mann die Kanzlerschaft zu?“
Wir können nach einem Blick auf ein Foto gar nicht bewerten, ob der Mensch in der Lage ist, Deutschland zu regieren.
Die Frage, die wir stattdessen beantworten können, lautet: „Sieht dieser Mann aus wie eine starke Führungspersönlichkeit?“. Oder, noch einfacher: „Finde ich den Mann sympathisch?“ Diese Ersetzungen nimmt unser schnelles System 1 vor. Wir müssen uns schon sehr anstrengen, um nicht Antworten auf Fragen zu geben, die gar nicht gestellt waren.
Selbstüberschätzung
Jeder Mensch hat eine hohe Meinung von seinem eigenen Urteilsvermögen. Das ist nur menschlich. Was aber, wenn man diesem Urteilsvermögen gar nicht trauen kann? Was, wenn unsere Entscheidungen, die wir aufgrund unserer uns eigenen Selbstüberschätzung treffen, falsch sind?
Kahneman belegt mit zahlreichen Beispielen, dass wir Humans (die „normal“ handelnde Menschen) keinesfalls so rational denken wie Econs (die ausschließlich wirtschaftlich handelnden Menschen). Und dass wir dadurch Fehlern aufsitzen, deren Auswirkungen von unangenehm bis teuer oder tödlich reichen kann.
Entscheidungen
Wie also Entscheidungen treffen? Auch dazu gibt das Buch wertvolle Denkanstöße. Letztlich ist es aber kein Ratgeber, der dir erklärt, wie du es machen sollst. Vielmehr legt David Kahneman mit vielen Beispielen und Gedankenexperimenten dar, wie dein Gehirn funktioniert. Und wie du es ein bisschen bewusster einsetzen kannst, um Fehler zu verhindern.
Zwei Selbste
Die Überschrift klingt seltsam. Außerdem ist sie grammatikalisch nicht ganz richtig. Aber in diesem Kapitel geht es um die beiden Identitäten, die in uns wohnen. Von dieser Konstruktion ausgehend skizziert das Buch auch hier wieder die Fehlbarkeit unseres Denkens und damit unserer Entscheidungen und Handlungen.
„Schnelles Denken, Langsames Denken“ – Beiträge zur Wissenschaft
Für seine Verdienste im Bereich der Psychologie im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften hat Daniel Kahneman den Nobelpreis für Wirtschaft erhalten. Warum bekam er diese Auszeichnung?
Kahneman und Tversky haben mit dem Konzept der Neuen Erwartungstheorie einen entscheidenden Beitrag zur Forschung geleistet. Die Neue Erwartungstheorie erweitert das Konzept der Indifferenzkurve von Bernoulli. Diese Kurve visualisiert – flach gesagt – die Präferenzen, die ein Mensch für oder gegen einen Zustand hat. Allerdings hat Bernoullis Konzept eine entscheidende Schwachstelle: Sie berücksichtigt nicht den aktuellen Status des Menschen, der diese Entscheidung trifft.
So ist es beispielsweise für einen wirtschaftlich armen Menschen ein Unterschied, ob er 100 verliert oder 1000 Euro erhält. Für einen Millionär machen beide Beträge keinen Unterschied. Solche Sachverhalte konnte die „alte“ Indifferenzkurve nicht darstellen. Hier hat die Neue Erwartungstheorie die Theorie grundlegend erweitert.
Wer weitere Details und eine kritische Bewertung zum Thema Neue Erwartungstheorie nachlesen möchte, der sei auf die Wikipedia verwiesen.
Ein interessantes Interview…
Der Autor von „Schnelles Denken, langsames Denken“ hat seine Erkenntnisse auch dem Schweizer Fernsehen erläutert. Hier kannst du den knapp 1-stündigen Beitrag ansehen.
Was bringt dir „Schnelles Denken, langsames Denken“?
Bringt dir das Lesen von „Schnelles Denken, langsames Denken“ also was? Für eine kurze Antwort ist das Buch zu umfangreich. Daher etwas ausführlicher.
Fazit zu „Schnelles Denken, langsames Denken“
Was du nach dem Buch aber auf jeden Fall besser verstehst sind:
- Wie Entscheidungsprozesse ablaufen
- Warum wir Wahrnehmungsfehler machen
- Weshalb unser Gehirn so fehleranfällig ist
Im konkreten Büroalltag werden dir diese Erkenntnisse vor allem dann etwas bringen, wenn du selber ein „Entscheider“ bist. Für alle anderen Leser kann man die Lektüre dennoch als Zugewinn zur Allgemeinbildung verbuchen. Denn wer weiß schon, wie unser Hirn tickt?
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Natürlich könnte man die Informationen in „Schnelles Denken, langsames Denken“ auch dazu verwenden, Menschen negativ zu manipulieren. Wer das jedoch tut und ertappt wird, der verliert das Vertrauen seiner Mitmenschen. Ich kann also nur dringend davon abraten.
Raten kann ich aber uneingeschränkt zur Lektüre des Buches. Es liest sich unglaublich unterhaltsam. Und zwar, weil man als Leser immer wieder in die Fallen tappt, die Kahneman aufstellt. Man erwischt sich immer wieder dabei, wie man Fehler macht. Und das, obwohl man es eigentlich nach ein paar hundert Seiten hätte besser wissen müssen. Alleine schon deshalb hat es der Titel auch auf unsere Liste der 10 besten Bücher für Führungskräfte geschafft.
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